Schuss – Gegenschuss
- Posted by Björn Maurer
- On 19. Januar 2016
Auflösung eines Dialogs
von Michael Dostler, Daniel Trueby
Zeitbudget: | > 45 Minuten |
---|---|
Schwerpunkte: | NUR Film |
Sprachkenntnisse: | Fortgeschritten |
Mehrsprachig: | Nein |
Gruppengröße: | Ab 4 Personen |
Lernziele
- Erlernen der typischen Gesprächsauflösung: «Schuss-Gegenschuss-Prinzip» beim Dreh und in der Montage
- Verständnis für «Kamera- und Handlungsachse» sowie «180°-Regel»
- Sprechen vor der Kamera
Überblick
Die Teilnehmenden erhalten den Auftrag einen vorbereiteten Dialog (aus einem existierenden Film) zu verfilmen. Einzige Bedingung: Es müssen verschiedene Kameraeinstellungen und -perspektiven im Kameraschnittverfahren aneinander gereiht werden - also nicht der ganzen Dialog in einer Einstellung. Alles weitere bleibt den Teilnehmenden selbst überlassen. Im Anschluss an die Produktionsphase folgt ein Vergleich der verschiedenen Ergebnisse untereinander und mit dem Originalausschnitt. In der Zusammenführung der verschiedenen Umsetzungen werden die typische filmische Gesprächsauflösung (Schuss-Gegenschuss-Verfahren) sowie die «180°-Regel» thematisiert.
Voraussetzungen: |
Vorerfahrung mit Kamera/Tablet und dem Kameraschnittverfahren |
---|---|
Materialien: |
je eine Kamera (oder Smartphone/Tablet) und ein Stativ pro 4er/5er-Gruppe, Beamer und Notebook zur Präsentation, vorbereiteter Dialog (Filmausschnitt und Text) |
Vorbereitungen: |
Keine |
Ablauf
Im Plenum erhalten die Teilnehmenden den Arbeitsauftrag: “Filmt einen Dialog zwischen zwei Personen mit Hilfe des Texts”.
Die Aufgabe ist bewusst offen formuliert, da mehrere Lösungsmöglichkeiten – basierend auf den eigenen Seherfahrungen der Teilnehmenden – möglich sind. Auch können anhand des in dieser Übung erstellten authentischen Materials gelungene und verbesserungswürdige Lösungsmöglichkeiten thematisiert werden.
Die Teilnehmenden erhalten nun noch die Information über den zeitlichen Rahmen der Übungsphase (ca 15-20 min.) und den Auftrag sich danach wieder im Plenum einzufinden.
In der Kleingruppe stellen sich die Teilnehmenden dann selbstverantwortlich der Aufgabe und können bei Bedarf von der medienpädagogischen Begleitung gecoacht und unterstützt werden.
Zurück im Plenum werden die Lösungsmöglichkeiten gemeinsam gesichtet und gewürdigt. Hierbei kann anhand des authentischen Materials das filmische Prinzip «Schuss-Gegenschuss» erläutert werden. Dabei geht es darum, jeweils abwechselnd die beiden Gesprächspartner entlang ihres Redeanteils( sprechend/zuhörend) zu zeigen.
Ein mögliches, häufig genutztes Stilelement ist dabei die Kameraposition «Over-Shoulder», bei der als visueller Bezugspunkt jeweils die Schulter, oder Teile des Kopfs des Gegenübers zu sehen sind. Wird dies konsequent wechselseitig angewand spricht man vom «Schuss-Gegenschuss» Verfahren. «Unterbrechungen» dieses Musters durch Einstellungen, in denen beide Dialogpartner gleichzeitig zu sehen sind, werden als «Mastershot» bezeichnet.
Dieser dient dann auch als Ausgangslage um die «180°-Regel» zu thematisieren. Da der Mastershot meist in einer «Halbtotalen» oder «Amerikanischen» umgesetzt wird, erschließt sich dadurch die räumliche Beziehung der beiden Dialogpartner zueinander – Person A sitzt links im Bild, Person B sitzt rechts. Würde ein weiterer Mastershot nun die selbe Gesprächssituation genau andersherum (also von der gegenüberliegenden Seite) darstellen (Person B befindet sich nun links im Bild, Person A rechts) wird dadurch die Handlungsachse (180Grad) überschritten, was beim Zuschauer für Irritationen sorgt.
Falls die Einstellungen, die für das Aufzeigen und Lösen dieser Problematik nicht aus den Eigenproduktionen der Teilnehmenden entnommen werden können, bietet es sich an, die beiden Prinzipien «Schuss-Gegenschuss» und «180 Grad Regel» im Plenum noch einmal zu visualisieren. Dabei ermöglicht ein an den Beamer angeschlossenes Tablet oder eine Kamera zu einen für das Plenum den “Blick” durch die Kamera, andererseits sehen die übrigen Teilnehmenden aber auch die beteiligten Akteure im Raum (Schauspieler und Kameraposition) in ihrer Beziehung zueinander und können hier gezielt Modifikationen vornehmen und deren Auswirkungen direkt am Bild erleben.
Varianten
Der Text bzw. der Dialog kann je nach Sprachstand der Teilnehmenden auch offen gelassen werden bzw. in seinem sprachlichen Anspruch differenziert werden. Ebenfalls können aus den eigenen medialen Vorerfahrungen der Teilnehmenden bereits bekannte / bedeutende Dialogszenen als Gesprächsgrunlage gewählt werden.
Einblicke in die Praxis
Bezüge zur Sprachförderung
Kompetenzfelder
Lesen: Da der Dialog zunmächst in schriftlicher Form an die Teilnehmenden ausgeteilt wird, üben die Teilnehmenden (ob vor oder hinter der Kamera) die eigene Lesefähigkeit und obendrein die Wandlung von Schrift- in Bildsprache.
Sprachfertigkeit: Die Übung bietet über den zu verfilmenden Dialog bereits einen vorgegebenen Sprechanlass. Hinzu kommen aber auch die sprachlichen Aushandlungsprozesse, die nötig sind, um den Dialog filmisch umzusetzen. Hierzu müssen zwischen den Spielenden und den Filmenden Absprachen getroffen werden, Meinungen und Lösungsansätze müssen diskutiert, erklärt und begründet werden.
Bezüge Film- und Theaterpädagogik
Schauspiel
Emotionen: Schauspielerisch können sich die Spielenden bei dieser Übung ganz auf die Emotionsführung der jeweiligen Rolle konzentrieren, also den vorgebenen Text zu deuten und mit passenden Emotionen zu versehen. Daher sollte natürlich auch ein Dialog ausgewählt werden, der einen Anreiz für die Emotionsarbeit bietet.
Rollenentwicklung: Wie beim Schauspielen nach einem Drehbuch müssen die Teilnehmenden anhand des vorgegebenen Dialog-Textes Figuren und eine Beziehung entwickeln und anschließend beim Drehen darstellen.
Filmgestaltung
Kamera und Bildkomposition: Bereits in der Produktionsphase, aber auch später bei der Reflexion und dem Vergleich mit dem Originalausschnitt, werden filmgestalterische Mittel wie Einstellungsgröße und Bildkomposition, aber in manchen Fällen auch Perspektive und Kamerabewegung, relevant. Somit setzen sich die Teilnehmenden während der Produktion zunächst implizit mit den Gestaltungsmitteln ausseinander, anschließend können diese explizit behandelt werden.
Montage: Das Schuss-Gegenschuss-Verfahren hat nicht nur Einfluss auf die Bildgestaltung, sondern strukturiert anschließend auch die Montage der verschiedenen Einstellungen. Die Teilnehmenden untersuchen ihre Szene auf verschiedene Schwerpunkte. Bei wem liegt in welchem Moment das Zentrum der Handlung? Worauf soll das Zuschauerinteresse gelegt werden? Wie wird die Spannung durch visuelle Abwechslung gesichert?
Filmproduktion
Aufgaben/Abläufe am Set: Anhand dieser kleinen Szene, die durch den vorbereiteten Dialog bereits eine grobe Struktur erhält, lassen sich sehr leicht die Abläufe am Filmset erläutern und festigen. Selbst ohne Vorkenntnisse, erschließen sich die Strukturen recht schnell: Schauspieler und Filmteam müssen sich untereinander absprechen, um effizient voranzukommen.
0 Comments