Weniger ist mehr

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  • Posted by Björn Maurer
  • On 21. November 2016

Filmische Längen vermeiden

von Ken Nilles, Daniel Trueby
Zeitbudget: > 45 Minuten
Schwerpunkte: NUR Film
Sprachkenntnisse: Grundkenntnisse
Mehrsprachig: Nein
Gruppengröße: Ab 4 Personen

Lernziele

  • erkennen, dass langandauernde und monotone Einstellungen schnell an Reiz verlieren
  • erkennen, dass nicht jedes Detail gezeigt werden muss, um eine Handlung darzustellen
  • eine ausführlich erzählte Handlung (Videobeispiel) mittels Schnitttechnik raffen

Überblick

Die Teilnehmenden bearbeiten eine vorgegebene Filmsequenz, die zu langatmig erzählt ist, und erproben dabei verschiedene Montagetechniken. Sie schneiden das Video so um, dass alle überflüssigen Informationen herausfallen.

Voraussetzungen:

grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Videobearbeitungsprogrammen (z. B. iMovie (iOS) oder PowerDirector (android); Erfahrungen mit dem Kameraschnittverfahren, Kenntnis der Einstellungsgrößen

Materialien:

Notebook/Tablet/Smartphone mit Schnittprogramm (z.B. iMovie(iOS) oder Pinnacle Studio (iOS & Android); Beispielfilm und ergänzende Präsentation

Vorbereitungen:

Keine

Ablauf

Hinweis

Anfänger/innen haben in der Regel die Tendenz, ihre Szenen nur in einer einzelnen Einstellung festzuhalten. Es entsteht der Eindruck einer Theatervorführung, der nicht den Erwartungen eines standardisierten Filmerlebnisses entspricht. Durch die Analyse der zu langen Filmsequenz und der Suche nach Lösungen filmische Längen zu vermeiden, wird ein Bewusstsein für kommende Produktionen geschafft.

Man kann diesen prägnanten Erfahrungsgewinn als Beispiel bei Filmproduktionen benutzen, um die Kinder darauf aufmerksam zu machen, dass sie verschiedene Einstellungsgrößen verwenden können, um ihre Szenen abwechslungsreich und ansprechend zu gestalten.

1. Schritt: Eine richtig langatmige Filmszene anschauen

Die Lehrperson zeigt den Teilnehmenden (ff) eine monotone und viel zu langatmige Filmszene. Anders als bei vielen anderen Bausteinen ist die Sichtung im Plenum in diesem Fall ein didaktisch wichtiger Schritt. Denn aufgrund der langweiligen Szene werden die Zuschauer/innen voraussichtlich nach 2 bis 3 Minuten unruhig. Bei Teilnehmenden mit geringer Spracherfahrung können die Betreuenden die Langatmigkeit der Filmerzählung körpersprachlich andeuten. Sie können zum Beispiel laut gähnen, immer wieder auf die Uhr schauen oder sich setzen und einen Sekundenschlaf vortäuschen.

2. Schritt: Diskussion – Wie entsteht die Langeweile?

Im gemeinsamen Gespräch soll nun der Grund für die Langeweile diskutiert werden. Die Teilnehmenden dürfen dabei ihre Beobachtungen, die sie im vorherigen Schritt gesammelt haben, frei assoziieren. Jede der genannten Beobachtungen soll ernst genommen werden, um das sprachliche Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit der Jugendlichen zu bestärken. («Es war so langweilig weil…», «Das kann man doch auch schneller erzählen…» ). Gemeinsam werden die wichtigsten Faktoren, weshalb das Filmbeispiel nicht gefallen hat, noch einmal gebündelt und festgehalten.

  • unnötige Handlungselemente werden gezeigt
  • Alltagshandlungen müssen nicht auserzählt werden, weil die Zuschauer/innen damit vertraut sind
  • die gezeigte Handlung trägt nicht über die Zeit
  • das Wesentliche der Handlung geht in der langatmigen Szene unter

3. Schritt: Directors Cut: filmische Längen vermeiden

Hinweis

Für diese Schnittübung sollte genügend Zeit (mindestens 30 Minuten) eingeplant werden.

Das Beispielvideo kann nun von den Kindern per Download-Link (Verweis auf QR Code/ Link) heruntergeladen werden oder ist in der Vorbereitung der Übung bereits in der Medienbibliothek der genutzten Geräte auffindbar. Im Anschluss soll das Beispielvideo mit dem Videobearbeitungsprogramm der Tablets/ Computer so gekürzt werden, dass die wesentlichen Handlungsinhalte so kurz wie möglich zu sehen sind und das Video im Vergleich zur Ursprungsversion deutlich ansprechender ist.

Mehrere Lösungsvarianten sind möglich: Die Varianten können entweder vorab besprochen werden, oder die Teilnehmenden finden ohne Vorgabe eine eigene Lösung.

  • Variante 1: Die Reduktion auf das Wesentliche: Die Sequenz wird auf ihre wichtigsten Handlungen verkürzt. (z.B: Person A nimmt Schere – |Filmschnitt| – Person B wehrt sich – |Filmschnitt| – Person A schneidet Person B´s Haare – |Filmschnitt| – Haare sind geschnitten)
  • Variante 2: Zeitraffer: Das Video wird in geraffter Geschwindigkeit abgespielt. Dem Zuschauer wird dadurch klar, dass nur die grobe und nicht die detaillierte Handlung im Mittelpunkt steht.
  • Variante 3. Timecard oder Voiceover. Nur der Anfangsteil und der Schlussteil der Sequenz werden gezeigt. Der Zwischenteil wird durch eine Timecard oder einen Voice-Over ersetzt. (z.B. Person A nimmt die Schere – |Timecard: «10 Minuten später»| –  die Haare sind  geschnitten. Voice- Over:  Person A nimmt Schere – Die Stimme sagt: «10 Minuten später» – Haare sind geschnitten

4. Schritt: Sammlung der Lösungsversuche

Am Beamer werden nun die Ergebnisse vorgestellt. Jede Gruppe darf dabei ihre Version vorstellen und ihre Lösung erklären. Für Teilnehmende mit geringer sprachlicher Vorerfahrung können Visualisierungshilfen eingesetzt und der Grundwortschatz auf Wortkarten oder einem Plakat mit den wichtigsten Begriffen bereitgehalten werden. Nach der Präsentation werden die Lösungen von den Jugendlichen verglichen und analysiert. Gibt es Überschneidungen oder ähnliche Ansätze? Gibt es besonders innovative Lösungsvarianten?

5. Schritt: Kategorisieren

Die zuvor verglichenen Lösungsansätze werden nun kategorisiert. Hierfür können entweder die Versionen der Jugendlichen oder die Musterbeispiele (Downloadlink) der drei Schnitttechniken (Reduktion, Zeitraffer, TimeCard/Voiceover) verwendet werden.

Beispielclips

Bezüge zur Sprachförderung

Bezüge Film- und Theaterpädagogik

Dramaturgie

Plot

Plot: Die Teilnehmenden erkennen auch, dass der filmische Plot nicht immer 1:1 der Geschichte entspricht. In der Geschichte dauert es zwar 10 Minuten, bis die Person sich fertig gerichtet hat und das Haus verlässt. Im Plot reichen aber 2-3 kurze Einstellungen als Andeutung, um die Handlung zu erzählen. Bei fortgeschrittenen Teilnehmenden kann explizit der Bezug zum Verhältnis von → Erzählzeit zu → erzählter Zeit hergestellt werden.

Filmgestaltung

Montage

Montage: Die Teilnehmenden lernen verschiedene Montagestrategien kennen, die das Vergehen von Zeit zum Ausdruck bringen. Beim Directors Cut einer vorgegebenen Filmsequenz werden sie für geeignete Schnittpunkte sensibilisiert. Sie schneiden Überflüssiges weg und achten aber gleichzeitig auf → Continuity.

Das bewusste Wahrnehmen von filmischen Längen soll den Teilnehmenden vermitteln, dass bei Alltagshandlungen und vorhersehbaren Inhalten eine Reduktion auf die Kernsequenzen ästhetisch ansprechender wirkt als eine Plansequenz desselben Inhalts. Unwichtige Details können ausgespart werden, ohne dass es dem Zuschauer auffällt. Es wird ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass die Sequenzlängen im Film nicht immer mit der Dauer der abgebildeten Handlung übereinstimmen müssen. Dieses Bewusstsein ist vor allem für weitere Medienproduktionen wichtig.

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